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Achtung – Werbung in Schulmaterialien

Gastbeitrag von Barbara Schilling

Schulmaterialien und Werbung – wie passt das zusammen?

Fakt ist: Die anbietenden Wirtschaftsunternehmen sind stark angestiegen. Von 845 im Jahr 2011 auf mehr als 17.000 zwei Jahre später. Aktuelle Zahlen liegen leider nicht vor. Aber: 16 der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen bieten Schulmaterialien an. Manchmal im Rahmen von Fortbildungsangeboten für Lehrer. Die Intention ist damit klar; basierend auf einer Marketingstrategie – Lehrer und damit Kinder, eventuell auch Eltern, als Zielgruppe zu erreichen.

Firmen wie Nestlé, Ritter Sport, Daimler, VW oder Bayer verfügen über hohe Marketingbudgets. Wie diese Unternehmen arbeiten, wie sie produzieren und verkaufen, welche Stellung sie zum Thema Nachhaltigkeit, Fairtrade, etc. haben, sei einmal dahingestellt. Wichtiger ist beinahe, dass man überhaupt auf den ersten Blick erkennen kann, dass es sich um „gesponserte“ Materialien handelt. Oft ist der Absender nämlich nicht klar zu erkennen. Erst bei genauerem Hinschauen wird klar, wer dort welche Inhalte im schulischen Rahmen vermitteln will. Kritisches Hinsehen und Prüfen ist also unabdingbar.

Was inhaltliche Aspekte angeht, ist ebenfalls Vorsicht geboten. Das Thema Gemeinschaft, soziales Handeln und Alternativen zum kapitalismusbasierten Leistungsprinzip sind selten Gegenstand der aufgeführten Inhalte. Das unternehmerische Verständnis dominiert. In den Publikationen herrscht eher die neoliberale Philosophie vor, dass der Einzelne alles allein schaffen kann, wenn er entsprechend Leistung bringt und flexibel ist. Generell ist das ja eigentlich ein schönes, Mut machendes Bild für junge Menschen, denkt man als Elternteil oder Lehrer vielleicht. Jedoch lässt es all jene Menschen außer Acht, die nicht in der Lage sind, sich durchzusetzen, die weniger stark oder einfach „anders“ sind.

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Erstaunlich oder begrüßenswert? Offene Produktwerbung …

Ist es nicht gut, dass es oft ersichtlich ist, wenn es sich um Produktwerbung handelt? Dann kann man doch differenzieren?
Ja und nein. Nicht nur Grundschülern fällt es schwer, sich mit derartigen Dingen im hektischen Schulalltag adäquat zu beschäftigen. Tatsache ist: Es wird oft ganz offen von den Unternehmen für Produkte geworben. Die Produkte werden in das Unterrichtsmaterial gezielt, inhaltlich jedoch ganz „nebenbei“ integriert.

Gerade bei relativ unerfahrenen jungen Menschen, sprich Kindern, auch im Grundschulalter kommt es vor, dass sie nicht auf Anhieb unterscheiden können, was Werbung und was keine ist. Vor allem, wenn sie im Kontext auftauchen. Und: Es ist doch auch nicht Sinn der Sache, wenn es um Schule geht. Da sollte der Fokus auf dem Lehrstoff, auf dem Miteinander liegen – und nicht darauf, sich mit kommerziellen Angeboten zu befassen. Das beherrscht ja schon oft den Rest des Tages – angefangen beim morgendlichen Radiowerbespot oder den Werbeplakaten an der Straße bis hin zu Anzeigen und Bannern in Unterhaltungsmedien, beim Einkauf oder Blick in den Briefkasten am Nachmittag.

Oft wird die Werbebotschaft eher schleichend vermittelt. Zum Beispiel, indem ein Unternehmen als Vorbild in einem bestimmten Kontext genannt wird. Alternativen kommen kaum vor. Einseitigkeit kann in der Wissensvermittlung gefährlich sein. Gerade der Perspektivwechsel, das Aufzeigen von Pluralität bietet doch die Basis für Reflexion, für den Mut zu eigenen Entscheidungen.

Auf Herz und Nieren geprüft?

Die Kultusministerien prüfen die Unterrichtsmaterialien leider nicht entsprechend. Ihre Sichtweise: Den Lehrern fiele doch selbst auf, wenn es sich um Werbung oder fehlende Multiperspektivität handle. Sie würden schon entsprechend damit umgehen.
Im Unterschied dazu und zu Online-Angeboten von Unterrichtsmaterialien sind die Zulassungsverfahren dagegen für Schulbücher relativ streng. Hier ist ein Wandel, eine Ergänzung dringend nötig.

Um Missverständnissen vorzubeugen: An den Schulen gilt ein Werbeverbot. Doch manche Lehrkräfte verstehen gar nicht, wie wichtig der kritische Umgang mit Bildungsmedien ist – sei es aufgrund der Gewöhnung an den täglichen Werbewahnsinn oder einfach aufgrund fehlenden Bewusstseins um die teilweise „versteckte“ Gefahr. An dieser Stelle sollte der Staat intervenieren und diese Thematik als festen Part der Lehrerausbildung etablieren. Kritische Medienkompetenz ist das Thema der Zukunft: Universitäten, Experten – Wissenschaftler, Staatsvertreter und Pädagogen – müssten die Problematik langfristig verfolgen und entsprechende Empfehlungen beziehungsweise Warnungen aussprechen; sowohl für Online- als auch für Offlinemedien.

Fazit: In Zeiten sinkender Förderungen von Bildung darf die Realität nicht ausgeblendet werden. Unterrichtsmaterialien sind „teuer“, doch die Ökonomisierung der Bildung kann nicht die Lösung sein.

Barbara Schilling

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