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Umgangsregeln: Alles Knigge oder was?

„Sitz gerade, nimm den Ellenbogen vom Tisch, halte die Gabel richtig, schmatz nicht …“

Seien wir doch mal ehrlich – wer wünscht sich nicht manchmal Kinder, die perfekte Tischsitten, oder überhaupt welche haben? Die immer ordentlich „Bitte“ und „Danke“ sagen, nicht (öffentlich) in der Nase bohren und nicht jeden Gast unverhohlen nach einem Geschenk fragen?

Angeblich sind die Franzosen da ja Meister. Ihre Kinder sitzen meist artig im Restaurant und fallen nicht auf, soweit die Überlieferung von baß erstaunten deutschen Eltern. Warum das so sein soll – eine These ist, dass französische Eltern oft einen klar abgesteckten Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sie ihren Kindern aber Freiheiten lassen. Demnach sind einige Dinge unverhandelbar und ohne Ausnahme zu befolgen; klingt nach anstrengendem Konsequent-sein. Wie war es denn früher eigentlich bei uns?

Ein Blick zurück

„Früher“, wann immer das auch war, soll ja bekanntlich alles besser gewesen sein. Zumindest die Manieren der Kinder, aber das behaupteten auch schon die Intellektuellen des Altertums. Und wenn es zu einigen Zeiten tatsächlich mehr „Disziplin“ bei Tisch gegeben hatte, um welchen Preis?

Kinder wurden entweder nicht ernst genommen der sollten sich gefälligst wie kleine Erwachsene benehmen. Vertrauen und Empathie war da wohl weniger zu finden im Alltag – jedenfalls klingt es so, wenn unsere Uroma von den damals vorherrschenden (zum Teil rabiaten) Erziehungsmethoden berichtet, um der oft nicht unbeträchtlichen Kinderschar Herr zu werden. Und in der Adelsgesellschaft haben die Kinder ihre Eltern eh eher selten zu Gesicht bekommen und mussten sie dann siezen. Selbst bei den Kleinsten waren eher Ammen anzutreffen als Mutter und Vater.

Alles Knigge oder was?

Benimmkurse – auch für Kinder – haben Hochkonjunktur. Trotz – oder gerade wegen aller Globalisierung – steigt die Unsicherheit, „was die Etikette“ verlangt. Gern wird dann auf Herrn Knigge verwiesen.

Der erste Irrtum in diesem Zusammenhang ist, dass er sich mit der richtigen Etikette beschäftigte. Tat er aber nicht, für ihn ging es in erster Linie um Umgangsformen, sprich das menschliche respektvolle Miteinander – zwischen Männern und Frauen, Herren und Bediensteten, Eltern und Kindern und … auch unter Freunden. Eine Lektüre seiner Originalschriften ist diesbezüglich sehr aufschlussreich.

„Über den Umgang mit Menschen“ ist sein bekanntestes Werk, ein aussagekräftiger Titel, nicht wahr? Der deutsche Schriftsteller Adolph Freiherr Knigge schrieb es im achtzehnten Jahrhundert; erschienen ist es erstmalig 1788. Wie bereits angesprochen thematisiert das Buch „gute Umgangsformen“, statt steifer Etikette. Es war bereits zu seinen Lebzeiten ein Erfolg. Nach seinem Tod wurde es immer wieder von verschiedenen Herausgebern umgeschrieben, so verkam es im Laufe der Jahre zu einer reinen „Anstandsfibel“ – und Knigges ursprüngliche, viel weiter reichende Intention des respektvollen Miteinanders als „Faustregel“ geriet immer mehr ins Abseits.

Keine starren Benimmregeln, sondern ein respektvoller Umgang stand im Vordergrund

Die nach Idealen der Aufklärung geprägte Sammlung von „Umgangsregeln“ behandelt sozusagen als Vorreiter sozialpsychologische Fragen. Im Vorwort definiert Knigge „Umgangsregeln“: „Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen“. Und das wiederum mutet doch eher philosophisch als dogmatisch an.

Alte Weisheiten

Statt im Stil eines modernen Karriereratgebers beschreibt er in seinen Texten wie moralische Grundsätze das Zusammenleben vereinfachen und verschönern können. Ein paar konkrete Tipps hat er dennoch auf Lager, und diese sind bis heute gültig:

Fleißig und ordentlich

„Sei streng, pünktlich, ordentlich, arbeitsam, fleißig in Deinem Berufe! Bewahre Deine Papiere, Deine Schlüssel und alles so, daß Du jedes einzelne Stück auch im Dunkeln finden könntest! Verfahre noch ordentlicher mit fremden Sachen!“ (Zitat: Erstes Kapitel Allgemeine Bemerkungen und Vorschriften über den Umgang mit Menschen, 12.)

Und die Kinder?

Knigge Umgang mit BesteckViel spannender als den adäquaten Umgang mit Messer und Gabel zu kennen, ist doch sein Statement über den Umgang mit Kindern, vor allem bei deren Erziehung:

„Man liebt den nicht, an welchen man kaum hinaufzuschauen wagen darf; man vertraut sich dem nicht an, der immer mit steifem Ernste Gesetz predigt; Zwang tötet alle edle, freiwillige Hingebung.“ (Zweites Kapitel Von dem Umgange unter Eltern, Kindern und Blutsfreunden, 2.)

Überhaupt hielt große Stücke auf die Kleinen, wie es scheint:

„[…] über viel Dinge urteilen Kinder, von Systemgeist, Leidenschaft und Gelehrsamkeit unverführt, weit richtiger als Erwachsene […] – kurz, wer Menschen studieren will, der versäume nicht, sich unter Kinder zu mischen! (Erstes Kapitel Von dem Umgange unter Menschen von verschiedenem Alter, 7.)

Fazit

Dass wir uns nicht missverstehen, natürlich ist es schön und auch Teil der Entwicklungsförderung, wenn Kinder lernen, sich in Gesellschaft entsprechend zu benehmen, schon um selbst sicherer im Zusammensein mit Fremden oder in bestimmten Situationen zu werden. Aber wer Knigge zitiert, sollte auch im Hinterkopf haben, dass es ihm als Querdenker seiner Zeit weniger um die Einhaltung bestimmter Normen als um das achtsame große Ganze ging, „bei Tische“ und darüber hinaus.

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