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Autismus bei Grundschulkindern – Symptome & Umgang in Schulen

In Deutschland leben circa 300.000 Menschen mit Autismus. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher, weil viele autistische Menschen ihr Leben lang undiagnostiziert bleiben. Dabei kann eine Diagnose, vor allem wenn sie im Kindesalter erfolgt, sehr hilfreich sein, um den Alltag besser zu bewältigen.

Kinder mit Autismus brauchen vor allem in der Schule viel Unterstützung. Das aktuelle deutsche Schulsystem ist nicht für Autist*innen ausgelegt. Deshalb kann sie der Schulalltag schnell überfordern. Schulen müssen sich ihren Schüler*innen mit Autismus anpassen. Vor allem die Lehrkräfte und Mitschüler*innen. Eltern von Kindern mit Autismus können dabei unterstützen.

Was ist Autismus?

Der Oberbegriff dieser tiefgreifenden Entwicklungsstörung ist Autismus-Spektrum-Störung, kurz ASS. Spektrum heißt es deshalb, weil die Ausprägung und das Niveau der Beeinträchtigungen sehr unterschiedlich ausfallen können. Kein*e Autist*in gleicht dem anderen. Unterkategorien der Autismus-Spektrum-Störung sind Asperger oder frühkindlicher Autismus.

ASS ist keine temporäre psychische Störung, die sich heilen ließe. Die Gründe für Autismus sind neurologisch bedingt. Das Gehirn ist also sozusagen anders verdrahtet. Autismus ist angeboren. Die Ursachen dieser seelischen Behinderung sind noch nicht erforscht, aber es steht fest, dass sie nicht aus der Umwelt entspringen. Auch wenn Autismus nicht heilbar ist, können mit frühzeitiger Therapie Alltagskompetenzen, die Autist*innen schwer fallen, noch erlernt werden.
Bei Verdacht auf Autismus sollten Eltern deshalb direkt handeln. Ein erster Weg zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin kann den Verdacht bestätigen oder falsifizieren. Eine Diagnose wird dann von einer*einem Kinderpsycholog*in gestellt.

Auch wenn Autismus aufgrund des Spektrums immer unterschiedlich ausfällt, gibt es einige Verhaltensweisen und Eigenheiten, die einen Verdacht auf Autismus erkennen lassen. Durch die veränderte Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung haben Autist*innen oft Probleme bei der sozialen Anpassungsfähigkeit. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass sie eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit haben, Umgangsformen und soziale Regeln nicht verstehen und sich nur schwer in andere Leute hineinversetzen können. Das führt auf die Dauer dazu, dass Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung schnell verunsichert werden. Sie sind deshalb auf das Wohlwollen ihrer Mitmenschen angewiesen und brauchen viel Unterstützung.

Symptome von Autismus-Spektrum-Störung

Damit Eltern einschätzen können, ob ihr Kind autistisch ist, hat der Verein Autismus-Kultur einen Test zur Orientierung entwickelt. Achtung: Dieser Test ist noch keine Diagnose. Er zeigt lediglich, ob es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass das Grundschulkind Autismus hat.

Da Autismus ein Spektrum bildet, können die Symptome bei Autist*innen sehr unterschiedlich ausfallen. Es kann sein, dass auf ein Kind jedes Symptom zutrifft, auf ein anderes Kind vielleicht nur ein paar. Dennoch sind sie beide Teil des Autismus-Spektrums. Die folgend genannten Symptome sind deshalb nicht bindend und können bei jedem autistischem Kind in verschiedenen Kombinationen und unterschiedlichen Ausprägungen auftreten.

Interaktion mit anderen Menschen

Gespräche zu beginnen fällt Kindern mit Autismus schwer. Deshalb ist es nicht leicht für sie, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und Freundschaften zu schließen. In Gesprächen ist Blickkontakt für viele Autist*innen eine Herausforderung. Autist*innen verstehen häufig den Grundton von Humor, Ironie oder Sarkasmus nicht. Meistens nehmen sie das Gehörte wörtlich. Einfache Aussagen, Fragen oder Aufforderungen ergeben für sie manchmal einfach keinen Sinn.

Emotionen und Zuneigung

Bei Autist*innen ist Empathie anders ausgeprägt. Die kognitive Empathie, also das Erkennen und Verstehen von Emotionen bereitet ihnen Schwierigkeiten. Das kann in sozialen Situationen zu zweierlei Problemen führen. Wenn ihr Gegenüber traurig ist, und Autist*innen das nicht erkennen, wirken sie meist unhöflich. Wenn das Gegenüber allerdings böse Absichten hat, und Autist*innen das nicht ablesen können, werden sie schnell zum Opfer. Die affektive Empathie ist bei Menschen mit ASS allerdings genauso ausgeprägt wie bei anderen. Das bedeutet, dass sie meist Mitgefühl und Anteilnahme empfinden.

Doch nicht nur das Verstehen der Gefühle von Anderen ist eine Hürde für Menschen mit Autismus. Es fällt ihnen meist auch nicht leicht, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu kommunizieren.

Auf die Zuneigung anderer Menschen reagieren Autist*innen sehr unterschiedlich. Viele haben Angst vor Berührungen oder empfinden dabei sogar Schmerzen.

Verhalten

Einige Symptome von Autismus-Spektrum-Störung zeigen sich beim Sprechen.

Kinder mit Autismus…

  • …sprechen manchmal in einer ungewöhnlichen Tonlage.
  • …sprechen mit einem außergewöhnlichen Rhythmus.
  • …nutzen auffällige Betonung – bspw. gehen sie am Ende eines Satzes mit der Stimme hoch, wie bei einer Frage.
  • …verwenden Gesichtsausdrücke, die nicht zu dem Gesprochenen passen.
  • …greifen nur selten auf Körpersprache und Gestik zurück.

Autist*innen nehmen die Welt anders wahr. Diese Art der Wahrnehmung führt dazu, dass sie oft Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken haben. Lärm, helles Licht oder unbekannte Gerüche können sie überfordern. Bei solchen Überreizen setzen bei den meisten autistischen Kindern selbst-stimulierende Verhaltensweisen ein. Diese können sich beispielsweise durch auf die Ohren klopfen, hin- und her-wiegen oder den Kopf stoßen äußern. So beruhigt das Kind sich selbst. Leider können diese unvorhersehbaren und unkontrollierbaren Handlungen auch zu Selbstverletzungen führen.

Bedürfnis nach Beständigkeit und Routine

Menschen mit Asperger oder frühkindlichem Autismus fühlen sich mit Routine und Beständigkeit am Wohlsten. Veränderungen sind für sie sehr beängstigend und bringen sie aus dem Konzept.

Ausgeprägte Interessen

Oft haben Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung ein leidenschaftliches Interesse für ein bestimmtes Thema, mit dem sie sich gerne beschäftigen. Häufig hat dieses Themengebiet etwas mit Zahlen oder Fakten zu tun. Autist*innen können sich sehr stark auf bestimmte Sachen konzentrieren. Sie haben einen ausgeprägten Sinn für Details, ohne dabei den Überblick des Gesamten zu verlieren.

Schule mit Autismus

Menschen mit Autismus begegnen im Alltag vielen Hürden. Das ganze beginnt im Kindesalter im Schulalltag. In der Grundschule fühlen viele Kinder mit Autismus sich unwohl, wenn sie nicht ausreichend Unterstützung erfahren. Deshalb ist es wichtig, ihnen diese Unterstützung zu bieten und zu helfen, wo man kann.

Autismus-Spektrum-Störung ist eine seelische Behinderung. Dementsprechend können Kinder mit Autismus zwischen anderen Kindern mit Behinderung an Förderschulen lernen. Dort wird besonders auf ihre Bedürfnisse eingegangen, sodass das Lernen leichter fällt. Förderschulen sind aber kein Muss für Kinder mit Autismus. Wenn die Familie es wünscht, kann das Kind auch auf eine Regelschule, oder in eine Inklusionsklasse gehen. Theoretisch stehen ihnen alle Türen offen.

Wenn Kinder mit diagnostiziertem Autismus auf einer Regelschule eingeschult werden, muss die Schule darüber informiert werden. So können die nötigen Inklusionsmaßnahmen getroffen werden, die leider noch nicht selbstverständlich sind. Die Lehrer*innen müssen in der Lage sein, auf die Bedürfnisse der autistischen Kinder eingehen zu können. Dazu sind spezielle Schulungen und Unterstützung von Expert*innen notwendig.

Wie können Schulen autistische Kinder beim Lernen unterstützen?

Auch hier ist wieder zu beachten: Jedes autistische Kind ist einzigartig. Im Spektrum kann das Lernen in Form von schweren kognitiven Beeinträchtigungen bis zur Hochbegabung beeinflusst sein. Dementsprechend muss die Schule die Bedürfnisse des autistischen Kindes genau kennen und sich diesen anpassen. Individuelle Betreuung, neue Lehrkonzepte und vor allem Hilfe von den Mitmenschen muss jedem autistischen Kind in der Schule geboten werden.

Hier sind einige Unterstützungsmöglichkeiten seitens der Schule:

  • Individuelle Lernbegleitung: Ein*e Sonderpädagog*in an der Seite kann Grundschulkindern mit Autismus den Schulalltag erleichtern.
  • Rückzugsorte: Bei Überforderung ziehen Autist*innen sich aus der Situation zurück. Entweder laufen sie körperlich weg oder schalten geistig einfach ab. In solchen Situationen brauchen sie in der Schule einen Rückzugsort. Je nach Bedürfnis können sie sich dort entweder alleine beruhigen oder jemand kommt zum Aufpassen dazu. Um nicht oft auf den Rückzugsort zurückgreifen zu müssen, müssen Überreizungen vermieden werden.
  • Krisenplan: Die individuellen Bedürfnisse des autistischen Kindes müssen verstanden werden, damit man auf sie eingehen kann. Die Eltern können einen Krisenplan erarbeiten, den sie den Lehrkräften und Mitschüler*innen weitergeben. Dort sollte stehen, wann Krisen entstehen, wie man ihnen vorbeugen kann und wie bei einer Krise vorgegangen werden soll.
  • Mobbing in der Schule: Da Menschen mit ASS die Gefühle und Absichten ihres Gegenübers schwer einschätzen können, werden sie schnell zu Opfern. Mobber nutzen dies in der Grundschule aus. Um Mobbing entgegenzuwirken muss die Schule aktive Maßnahmen durch Präventionstraining und Bildung über die Folgen von Mobbing eingehen.
  • Visuelle Lernhilfen: Autist*innen haben Probleme mit verbalen Anweisungen. Deshalb sollte die Schule ihnen die Hausaufgaben und Arbeitsaufträge bestenfalls immer schriftlich mitgeben. Auch visuelle Hilfen im Stundenplan können nützlich sein. Comics sind auch eine gute Lernmethode für Autist*innen. Dort werden die abstrakten Ebenen sozialer Kommunikation konkreter dargestellt. Es kann den Unterricht also verständlicher machen, wenn das Gelernte in Form eines Comics angewendet wird.
  • Soziale Kompetenzgruppen: Freund*innen zu finden ist für Menschen mit Autismus nicht leicht. Die Schule kann beim Aufbau eines Freundeskreises helfen. Regelmäßig setzen sich Gleichaltrige dann mit dem autistischen Kind zusammen. So kann es Vertrauen aufbauen und lernen, seine Gefühle auszudrücken. Dies führt zwar leider nicht immer zu Freundschaften, aber es hilft der sozialen Integration. In Rollenspielen können die autistischen Kinder alltägliche Dinge erlernen.
  • Strukturen statt Unsicherheit: Autistische Kinder brauchen meist Routine. Unstrukturierte Zeit wie Pausen, Schulausflüge oder Klassenreisen können sie stark überfordern. Lehrer*innen können ihnen in der Pause zur Seite stehen und vielleicht Aufgaben zur Beschäftigung auftragen.
  • Nachteilsausgleich: In Prüfungssituationen oder bei der Benotung kann ein Nachteilsausgleich helfen, um Fairness in der Bewertung zu schaffen.

Weitere Hilfsmöglichkeiten für Schulen sind in den Leitlinien des Bundesverbandes autismus Deutschland e.V. zur inklusiven Beschulung aufgelistet.

Akzeptanz, Toleranz und Respekt für Menschen mit Autismus

Am meisten geholfen wird Autist*innen im Alltag, wenn sie akzeptiert, toleriert und vor allem respektiert werden. Es ist nicht einfach, als Autist*in in einer nicht-autistischen Welt zu leben. Der Alltag bietet viele Hürden und die Schule sollte keine dieser Hürden sein. Anstatt von den autistischen Kindern zu verlangen, dass sie sich anpassen, muss das Schulsystem richtig auf sie eingehen.

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