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Mama was sind Flüchtlinge?

„Mama, sind das Flüchtlinge? Woher kommen sie? Ist das Kind älter als ich?“
Wir stehen vor dem Supermarkt und ich kann meinem Kind diese Fragen gerade unmöglich umfassend beantworten. Das Thema Migration ist schon längst im Alltag angekommen. Und wir Eltern müssen uns fragen, wie wir mit den Fragen unserer Kinder umgehen.

Ignorieren? Abwiegeln? Verteufeln?

Fand ich selbst schon als Kind alles doof. Ich wollte eine möglichst ehrliche Antwort. Immer. Und ich will es noch heute. So versuche auch in unserer Zeit der stetigen Veränderungen, diese zu finden. Zugegeben – ist nicht immer einfach: bestimmte Themen, von Sexualität über Religion bis hin zu Krieg/ Gewalt/ Tod „kindgerecht“ zu behandeln ist eine Herausforderung. Aber eine, die sich anzunehmen lohnt.

Die Medien schweigen nicht

Kaum mehr ein Tag, an dem man nichts hört … Das Thema Migration, „Flüchtlingskrise“ scheint allgegenwärtig zu sein. Und seitdem die Menschen quasi vor der eigenen Haustür stehen, ist auch in Europa jeder mehr oder weniger gezwungen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ob in den Nachrichten, im Freundeskreis oder auf der Straße. Zumindest wer regelmäßig einen Blick in die Medien wirft, wird nicht umhin kommen, auch einige (unbequeme) Fragen zu beantworten. Kinder sind feinfühlig und aufmerksam. Wenn die ersten Fragen gestellt werden, kommt man als Elternteil allerdings schnell ins Straucheln.

Fragen, die ich mir stelle:

  • Wie soll ich das erklären, (was selbst noch nicht allen Erwachsenen klar ist)?
  • Soll ich es überhaupt thematisieren oder lieber ausblenden, soweit es geht?
  • Und nicht zuletzt: Wie viel Wahrheit verträgt mein Kind?
  • Was ist in welchem Alter zu grausam zu erfahren?

Selbstversuch zu erklären, was Flüchtlinge sind.

Ich startete also einen Erklärungsversuch:

„Die meisten Menschen möchten ihre Heimat nicht verlassen. Doch manchmal sind sie dazu gezwungen. Es müssen schon schwerwiegende Gründe vorliegen, damit sie ihre Heimat, an der sie normalerweise sehr hängen, verlassen.“

Kopfnicken. Kurze Pause.

„Und warum müssen die Leute weggehen?“

Nun, was sind die häufigsten Fluchtursachen? Krieg / Zerstörung, Unterdrückung, Not.

„In einigen Ländern wie Syrien herrscht seit Jahren Krieg. Die Zerstörung und Not ist so groß geworden, dass viele Menschen irgendwo anders hingehen.“

Ich versuche die Dringlichkeit und Verzweiflung der Flüchtenden zu schildern, ohne bange zu machen. Leichter gesagt als getan.

Thema Flucht und Vertreibung

Ich holte weiter aus und erzählte weiteres zum Thema Flucht und Vertreibung: Auch dass das nicht neu ist und die Oma und Uroma uns schon davon berichtet haben. Wieder Schweigen, überlegen. Dann die Frage:

„Welche Uroma?“ „Na Uroma Christa.“ „Musste sie dann auch Deutsch lernen?“ „Nein, das konnte sie schon.“ Antwort: „Dann hatte sie es leichter …“

Jetzt komme ich ins Grübeln.

Ich versuche, zu erklären, warum eine reiche, sichere Gesellschaft Verantwortung tragen muss. Er schaut mich an:

„Für alle?“

fragt er. Ich denke an die Bilder aus der Tagesschau – von überfüllten Grenzübergängen und Notunterkünften, an tausende von orangen Rettungswesten an den Stränden griechischer Inseln und Dutzender freiwilliger Helfer.

„Alle sollten allen helfen“

, antworte ich vage.

„Hm.“

Meine Antwort scheint nicht befriedigend zu sein.

Wer ist schuld am Krieg?

Dann die gefürchtete Grundsatzfrage.

„Wer ist schuld am Krieg?“

geht über die übliche „Wer-hat-angefangen-Streiterei“ so etwas von weit hinaus, dass ich an dieser Stelle passen muss. Er geht weg, kommt wieder, bringt mir Spielzeug.

„Hier für die Flüchtlinge.“

Ganz selbstverständlich. Sein Lieblingsauto behält er. Auch das ganz selbstverständlich. Damit ist das Thema erst einmal beendet.

Rat und Hilfe

Tage später stoße ich auf ein Heft. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat es herausgegeben. Dort hole ich mir Hilfe und Anregung. Denn auf die Frage, wer eigentlich ein „Flüchtling“ sei, weiß ich auch nur indirekt zu antworten. „Jemand, der eine begründete Furcht vor Verfolgung hat und daher sein Heimatland verlässt“, leuchtet aber ein. Ob es deutsch sprechende Flüchtlinge „leichter“ haben, steht nicht darin, aber aus welchen Ländern und warum sich die Menschen zum Teil zu uns nach Europa auf den Weg machen, das wird den Kindern erklärt. Er schaut es sich aufmerksam an; die vielen Bilder locken ihn. Wir schmökern ein wenig zusammen. Wir lesen von einem Mädchen, das in einem Schlauchboot geflohen ist, von Promis, die helfen …Das Wort „Asyl“ bedeutet übrigens wörtlich „Zuflucht“. Aha, das war mir auch neu.

Und wieder geht es um das Warum. Fluchtursachen, unter anderem der Bürgerkrieg, Verfolgung wegen Religion, Herkunft oder Hautfarbe, Naturkatastrophen und Armut – alles Dinge, die mein Sohn mit scheinbarem Gleichmut vernimmt. Doch dann unterbricht er mich und fragt sehr ernst:

„Haben sie nichts zu essen?“

Als ich ihm von den zerbombten Häusern und der unzureichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln erzähle, wird er wirklich traurig. Das dunkle Kapitel brennender Flüchtlingsheime lasse ich dann erst einmal weg. Wie soll man das auch einem Knirps erklären? Dass es tatsächlich Menschen gibt, die andere lieber brennen sehen, als sie zu dulden? Das reicht für heute. Auch für mich.

Ich lege das Heft beiseite und erkläre, dass viele Menschen einander helfen wollen. Und dass wir ein wenig mithelfen können. Das ist dann ok und wir packen das Spielzeug ein …

Mein Fazit

Die komplexe Situation so simpel und sachlich wie möglich zu erklären, klingt unkomplizierter als es ist. Mein Sohn verstand meine Worte manchmal einfach nicht. Was ist zu tun? Wortwahl überdenken, vereinfachen – aber ohne das so wichtige Differenzieren, die Zwischentöne und -stufen auszuklammern? Ich kam ins Schwitzen, suchte nach Vereinfachungen, Beispielen.

Meine Erklärungsversuche haben wahrscheinlich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Aber sie haben die Kinder nicht allein gelassen mit ihren Eindrücken und Gedanken.

Vielleicht ist es auch ein Thema in der Schule?

Engagierte Lehrer gehen sicher auf aktuelle Veränderungen ein, die (noch) nicht in den Geschichtsbüchern stehen.
Was ist da los? Was hat sich verändert? Wer kommt? Wohin? Warum? Was ist zu tun?

Empfehlung, zumindest ab ca. 10 Jahren: Der Youtube Film von „Dein SPIEGEL“ Nachrichten für Kinder / Kindermagazin des Spiegel Verlags. Das Video zeigt einen Schüler, der seine Ferien in Griechenland verbringt und sich dort auf einer Insel selbst ein Bild von der Flüchtlingslage macht – jeden Tag kommen Boote mit geflüchteten Menschen an. Und er ist dabei.

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