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„Mensch ärgere dich nicht“ – wie Kinder verlieren lernen können

Dabei sein ist alles? Die Letzten werden die Ersten sein? Verlieren lernen muss jeder. Ach, Pustekuchen! Damit kommen Sie mal einem 5-Jährigen, der gerade das Spielbrett vom Tisch fegt und wütend aus dem Zimmer stampft, weil er verloren hat. Verlieren ist nun einmal nicht leicht und jeder wäre gerne der Gewinner. Aber wie soll man als Elternteil in solch einer Situation reagieren und was kann man tun, dass aus unseren Kindern „faire Verlierer“ werden?

Niemand verliert gerne

Natürlich ist es schöner, wenn man gewinnt: Der Sieger steht im Mittelpunkt und genießt – wenn auch nur für einen kurzen Moment – die volle Aufmerksamkeit der Mitspieler. Das tut gut und stärkt das Selbstwertgefühl. Verlieren hingegen ist gar nicht so leicht. Vor allem jüngere Kinder haben ein Problem damit und nehmen Niederlagen oftmals sehr persönlich. Es kann passieren, dass sie sich gedemütigt, unterlegen und nicht gut genug fühlen.

Enttäuschung und Aggression

Gruppe von SpielfigurenDie Folge: Sie reagieren mit Enttäuschung und Aggression. Das ist auch ganz normal und völlig in Ordnung – solange die Wut nicht an den Mitspielern und dem Spielmaterial ausgelassen wird. Schimpfen oder den „schlechten Verlierer“ vom Spiel ausschließen sind dabei keine ratsamen Optionen, weiß Claudia Watzel, Psychologin und angehende Psychotherapeutin aus Berlin. „Man sollte die Aggressionen nicht verbieten oder deckeln, sondern co-regulieren und dabei helfen, diese zu integrieren.“ Kinder müssen mit zunehmendem Alter lernen, mit ihrer Frustration umzugehen und Emotionen aushalten zu können – und brauchen dabei die Unterstützung der Erwachsenen.

Verständnis zeigen und motivieren, so klappt das verlieren lernen.

Watzel rät zu einem Perspektivwechsel: „Eltern sollten sich einmal selber die Frage stellen, wie es ihnen geht, wenn sie verlieren. Wer ehrlich ist, wird sagen, dass es einen wütend macht – und das ist auch völlig in Ordnung. Aggressionen werden in unserer Gesellschaft oft tabuisiert, dabei sind sie ganz normal.“ Jeder muss lernen, mit seinen Frustrationen umzugehen. Dabei hilft es, mit den Kindern darüber zu sprechen, dass es okay ist, wenn sie sich ärgern, dass es aber auch ganz normal ist, manchmal zu verlieren.




Eine große Hilfe können dabei auch Rollenspiele sein – die Kinder spielen verschiedene Charaktere und probieren deren Eigenschaften aus. Heute ist man der starke Ritter und morgen nur der bescheidene Knappe, mal ist man die wunderschöne Prinzessin und beim nächsten Mal die Dienstmagd.

Chance auf Sieg: altersgerechtes spielen

Wichtig ist es, altersgerechte Spiele zu spielen und die Kinder nicht mit komplizierten Spielregeln zu überfordern. Die Kinder müssen eine faire Chance haben, zu gewinnen. Wenn immer nur derjenige gewinnt, der mehr Erfahrung hat und somit meistens auch älter ist, bringt das keinen Spaß. Notfalls kann man die Regeln auch ändern, so dass die kleineren Kinder z.B. zweimal würfeln dürfen, so dass alle die gleiche Chance aufs Gewinnen haben.

Ausgewogenes Verhältnis zwischen Sieg und Niederlage

Kinder brauchen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sieg und Niederlage, damit sie motiviert sind, weiter zu spielen und nicht aufzugeben. Darf man denn kleinere Kinder auch mal gewinnen lassen? „Ja, natürlich“, sagt Psychologin Claudia Watzel. „Wir Erwachsenen haben die Aufgabe, zu dosieren, wie viel Frustration ein Kind in der Situation aushalten kann. Bei jüngeren Kindern kann man gerne auch mal zu ihren Gunsten spielen.“

Von anderen lernen

WürfelJe älter das Kind wird, desto besser lernt es normalerweise mit Niederlagen umzugehen. Das liegt zum einen daran, dass Kinder mit dem Alter ein stärkeres Selbstwertgefühl haben. Sie wissen, dass es vieles gibt, was sie gut können und so fällt es ihnen leichter, gelassen eine Niederlage wegzustecken. Zum anderen lernen sie auch aus ihrem Umfeld – zum Beispiel indem sie beim Spielen zuschauen und beobachten, dass die anderen es ja auch aushalten, wenn sie mal nicht die Besten sind. „Bei Kindern, denen es schwerfällt zu verlieren und die aggressiv auf eine Niederlage reagieren, empfiehlt es sich, Mannschaften zu bilden, denn zusammen verliert es sich leichter“, rät die Berliner Psychologin. „Oder man spielt zu zweit gegen einen Erwachsenen und kann dann am Erwachsenenvorbild lernen, dass man auch weiterspielt, wenn man mal verliert“, so Watzel weiter.

Spiele: ja – aber nicht jedes zu jeder Zeit

Spielen bringt Spaß, erfordert aber auch ein hohes Maß an Konzentration. „Mit einem müden, hungrigen 6-Jährigen eine Runde „Mensch ärgere dich nicht“ zu spielen, halte ich per se für eine schlechte Idee – da ist die Frustrationstoleranz gleich null“, nennt Psychologin Watzel schmunzelnd ein Beispiel. Wenn die Kinder eh schon gestresst oder müde sind, empfiehlt es sich manchmal auch, das Spiel wegzulegen und entspannt ein Buch vorzulesen. Oder man spielt ein Kooperationsspiel, bei dem alle zusammen ein Team bilden und z.B. gegen die Zeit oder – so wie beim Klassiker „Obstgarten“ – gegen einen imaginären Gegner spielen.

Gesellschaftsspiele fördern die Sozialkompetenz

Wenn man Kinder hat, denen es schwerfällt zu verlieren, ist man schnell dazu geneigt, Gesellschaftsspiele einfach von der Tagesordnung zu streichen, um das Kind nicht unnötig zu frustrieren. Das wäre schade, denn beim Spielen von Gesellschaftsspielen lernt man ja mit der Zeit nicht nur mit Niederlagen umzugehen, sondern auch andere Sozialkompetenzen wie Teamgeist und Empathie.

Und was noch viel wichtiger ist: Man verbringt Zeit zusammen, sitzt – oftmals generationsübergreifend – gemeinsam an einem Tisch, schaut sich ins Gesicht und hat Spaß zusammen. Und wenn dann der ein oder andere doch mal wütend den Tisch verlässt, dann ist das halt so – wenn er ganz selbstverständlich wieder am Tisch willkommen geheißen wird, wird er irgendwann zurückkommen, denn meistens siegt am Ende doch die Neugierde und die Freude am gemeinsamen Spielen.


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