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Burnout bei Kindern

Burnout? Bei Schulkindern? So etwas gibt es?
Ja, leider. Traurige Realität ist, dass der Burnout längst kein Krankheitsbild mehr ist, das nur Erwachsene betrifft. Die Statistik besagt, dass die Patienten immer jünger werden: Laut einer Studie der WHO wird diese Depression im Jahre 2020 die zweithäufigste Krankheit der Welt sein. In den Entwicklungsländern wohl sogar die häufigste. Bis vor kurzem noch herrschte die Meinung vor, dass lediglich besonders empfindliche Menschen gefährdet seien. Aber auch stressresiliente Menschen und damit ebensolche Kinder und Jugendliche können eine Erschöpfungsdepression erleiden. Dennoch wird Burnout bei Kindern häufig unterschätzt.

Burnout bei Kindern – was heißt das eigentlich?

Was bedeutet ein Burnout genau? Wie erkennt man ihn?
Die meisten Experten verstehen darunter eine umfassende emotionale Erschöpfung durch Überforderung. Symptome gibt es viele. Klassische Symptome sind: Verminderte Leistungsfähigkeit, psychosomatische Erkrankungen bis zu Apathie oder Aggression. Die Gefahr, an einer Sucht zu erkranken, steigt ebenso. (Im wissenschaftlichen Milieu übrigens ist das Burnout-Syndrom nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Es fällt hier unter die Problematik der eigenen Lebensbewältigung. Folge: Die Kosten für eine Behandlung werden nicht in allen Fällen von den Krankenkassen gänzlich übernommen.)

Kinder haben feine Antennen

Kinder bekommen viel von ihrer Umgebung mit. Eine drückende Allgemeinstimmung, vor allem, wenn sie andauert, kann Kinder zusätzlich zum Alltag belasten. Einige Kinder reagieren mit Übermotivation, versuchen „alles richtig“ zu machen. Kinder wachsen heute oft mit dem Denken auf, besser als die Eltern sein zu müssen. Stillstand ist der Tod, Wachstum das anstrebte Ziel der Gesellschaft. Wer traut sich da noch, sich in Ruhe auszuprobieren und Fehler zu machen?

Burnout-Ursachen

Bauchweh, Schlafstörungen, Rückzug – Warnsignale, die Eltern aufhorchen lassen sollten. Stress beginnt manchmal schon bei den Kleinsten. Manchmal ist zu hoher Erwartungsdruck der Eltern und/ oder fehlende Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Kinder der Auslöser. Depressionen, Ängste, aber auch Aggressionen können die Folge sein. Die meisten Eltern meinen es „nur gut“. Etwa die Hälfte will alles dafür tun, um ihr Kind zu fördern. Doch manchmal ist es einfach zu viel des Guten – zum Beispiel wenn sogar in den Ferien noch Kurse und Nachhilfestunden anstehen, statt zu spielen, zu faulenzen, rumzutoben.

Die Burnout-Ursachen sind oft vielfältig: Sie werden einerseits im gesellschaftlichen Gefüge und Habitus unserer Zeit gesucht. Hektik und Konkurrenzdenken im Alltag, Druck in der (Grund)Schule, auch die Sorgen der Eltern – drohende Arbeitslosigkeit, Scheidung, Zukunftssorgen, vermeintliche Perspektivlosigkeit – all das kann auf Dauer zu viel sein für das kindliche Gemüt. Wenn der ganz „normale“ Alltagsdruck Überhand nimmt, kann das Depressionen bei den Jüngsten begünstigen. Andererseits wird auch generell Kritik am deutschen Schulsystem wegen der frühen Selektion zwischen Gymnasium, Real- und Hauptschule geübt. Eine vermeintliche Degradation ist nicht gerade förderlich für ein eventuell in diesem Alter ohnehin vermindertes Selbstwertgefühl. Ohnmachtsemotionen, allgemeine Lustlosigkeit und Demotivation können in eine fürchterliche Spirale führen. Eine allgemeine Sprachlosigkeit in den Familien, das Gefühl der Kinder, zu stören oder nicht erwünscht zu sein, tut mitunter ein Übriges.

Die Reaktionen der Kinder

Isolation von der Außenwelt und Demotivation sind häufig als Folge zu beobachten und können die Anfänge eines Burnouts bei Kindern kennzeichnen. Hinzu kommt das Thema Mobbing. Dies kann ganz verschieden aussehen – wenn Schüler oder Lehrer schikanieren, bloßstellen oder ausschließen. Lehrer und Eltern sollten hier unbedingt enger zusammenarbeiten. Mobbing ist kein Kavaliersdelikt.

Im Allgemeinen sollte der Lehrer jeden Einzelnen der Schüler gut kennen. Dazu aber braucht es kleinere Klassen. Intelligenz, Charakter und Persönlichkeit müssen auch im Schulalltag berücksichtigt werden. Denn hinter jedem Burnout steht ein Ungleichgewicht von Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten. Kein Kind ist wie das andere; wir müssen genau hinschauen. Eltern sollten aufmerksam zuhören: Lernt das Kind mit Freude, aus „Gewohnheit“ der gar aus Angst vor schlechten Noten? Im letzten Fall müssen mehr Pausen und Mutmacher her.

Ist das nun ein Problem des „Prekariat“?

Ausgleich bei Burnout - Junge spielt GitarreNein, im Gegenteil. Fakt ist, dass Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern eher an einem Burnout leiden. Sind zu viele Aktivitäten Schuld an der Misere? Eine Sport- oder Musikstunde am Nachmittag kann den Akku aufladen, aber eben auch leeren. Ist unsere reizüberflutete moderne Alltagswelt zu wenig an der Entwicklung von Kindern ausgerichtet?

Diese Fragen sind nicht leicht einfach zu beantworten. Stress ist nicht generell schädlich. (Es gibt Eu- und Distress). Stress kann durchaus beflügeln. Die Frage nach Stressintensität und -dauer ist entscheidend. Mit genügend Regenerationsphasen und einem sensiblen Umfeld kann eigentlich nicht viel schief gehen. Doch genau daran krankt unser „zeitoptimierter Alltag“. Wenn es immer anstrengend ist, muss alles etwas genauer unter die Lupe genommen werden – das Leben des Kindes und das der ganzen Familie. Damit tun sich einige Menschen schwerer als gedacht.

20 bis 30 Prozent der deutschen Kinder zwischen 11 und 17 Jahren fühlen sich häufig erschöpft, („Health Behaviour in School-aged Children“-Studie der WHO). Das permanente Leistungsdenken ist für viele Kinder zu viel. Die umfassende Ökonomisierung der Gesellschaft färbt allmählich auch auf die Kleinen ab.

Traurige Wahrheit: Viele Grundschüler denken bereits, dass ihr Leben gelaufen ist, wenn sie den Übertritt aufs Gymnasium nicht schaffen. (Seit der Verkürzung der Schulzeit auf acht Jahre bis zum Abitur steigt die Burnout-Rate.) Es scheint, als sei eine umfassende Systemänderung anzudenken, um unsere Kinder langfristig gesund bleiben zu lassen.

Nie vergessen!
Zeigen Sie Ihren Kindern immer wieder klar, dass Sie sie lieben und schätzen, völlig unabhängig von den erbrachten (Schul- oder Freizeit-)Leistungen.

Wie dem dauernden Leistungsdenken Herr werden?

Eltern leben das „Rendite-Denken“ täglich vor; unglücklicherweise in nahezu allen Lebensbereichen: Das vielzitierte Hamsterrad – das Gefühl, dass es nie genügt. Die Zerrissenheit sich zwischen Beruf, Kindern, Partnerschaft, Haushalt und Lifestyle kostet Kraft und Geduld. Zudem lässt sie kaum Zeit für Muße, Freiraum, Ruhe … und auch Langeweile. Langeweile zu erfahren ist wichtig für ein Kind. So werden Perspektiven gewechselt, kommen neue, eigene Ideen … Es kann sich nun länger auf etwas konzentrieren und verpasst nicht das erhebende, Zeit und Raum vergessen lassende Gefühl des „Flow“.
Versagensängste und Kommunikationsprobleme sind leider keine Ausnahme: Über Gefühle offen und ehrlich zu reden ist nicht selbstverständlich in einer Welt, in der Schwäche und Nichtleistung schnell abwertend wirkt.

Fakt ist: Fast jedes zweite Schulkind war schon in Behandlung. Das heißt nicht, dass sich Eltern nicht ein gutes Stück weit auf ihren Instinkt zu verlassen können; Übertherapieren ist auch keine Lösung. Es sind eben nicht alle Kinder gleich – und das ist gut so!
Dennoch berichten Kinderärzte von einem massiven Anstieg des allgemeinen Drucks. Gab es früher nur vereinzelt Schulverweigerer, ist es heute eine Vielzahl. Häufig klagen sie über Rückenprobleme, Übelkeit und Panikattacken.

Schon Grundschüler haben Leistungsdruck

Erschöpfungsdepressionen treten bei immer Jüngeren auf. Schon mit acht Jahren in seltenen Fällen, manchmal am Ende der Grundschulzeit. Hauptsächlich aber sind es Jugendliche (ca. 3 Prozent, in der Größenordnung von ADHS und Essstörungen), die gefährdet sind; viele sind vielbeschäftigte Gymnasiasten. Auch die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf nur noch acht Jahre trägt zu erhöhtem Schuldruck bei.

„Slow Education“

Eine „Gegenbewegung“ nun ist die „Slow Education“. Schon bei den Kleinsten wird in den Kindergärten auf Entschleunigung und Freiheit gesetzt. Kinder haben ein Recht auf eigene Zeit. Kinder können lernen, ihre eigene Zeit selbst zu gestalten. Hierzu müssen Erzieher, Lehrer und Eltern ihnen diese freie Zeit zugestehen. Bereits im Kindergarten sollen sich Kinder für längere Phasen zum freien, kreativen Spiel aus der Gemeinschaft zurückziehen dürfen, im Hort darf es durchaus auch mal völlig freie „Selbstentscheidungstage“ geben. Einige alternative Schulformen, wie die demokratischen Schulen, lassen die Kinder ihre Zeit ebenfalls selbst gestalten.


Symptome erkennen

Betroffene können meist nicht gut schlafen und haben häufig Schmerzen. Manche vermeiden den Kontakt mit Freunden. Gefährlicher wird es bei ausgeprägten Problemen: Selbstzerstörerische Reaktionen wie Magersucht oder Ritzen der Haut sind relativ schnell zu erkennen. Jungen neigen im Extremfall häufiger zu Suizid. Schwieriger aber als einen Burnout zu diagnostizieren ist die sogenannte “stille” Depression: Kinder verlassen das Bett nicht mehr, gehen selten zur Schule, ziehen sich von anderen zurück.
Augen auf! Unbehagen vor der kleinsten Leistung, Angstzustände, ohne zu wissen, warum, andauerndes Schweigen – all das können Symptome sein.

  • Ihr Kind braucht permanent Anerkennung.
  • Es ist mit seinen Leistungen nie ganz zufrieden.
  • Das Kind ist oft gereizt.
  • Es schläft manchmal nicht gut.
  • Das Aufstehen fällt ihm extrem schwer.
  • Es scheint manchmal antriebslos und sehr erschöpft.
  • Die Entspannungsphasen sind rar (Vorlesen, baden, zur Ruhe kommen).
  • Ihr Kind meidet Treffen mit Gleichaltrigen.
  • Es zieht sich mehr und mehr zurück.
  • Ihr Kind ist sehr oft krank.

Alarmsignal: ein plötzlicher Leistungsknick. Vorübergehende Lustlosigkeit ist total normal, aber bei länger anhaltenden Schwierigkeiten sollte der Sache auf den Grund gegangen werden.

Schon ein geregelter Tagesablauf kann helfen, um Ruhe in den Alltag zu bekommen. Eingeschränkte Mediennutzung, elterlicher Zuspruch und Wertschätzung können stabilisieren, um in Stressphasen Stand halten zu können. Ein „Ausgleich“ – freies Spiel, Sport oder Meditation – ist auch oft hilfreich. Feste Rituale (gemeinsames Essen am Tisch, Einschlaflied) sind dazu da, Gelassenheit, Struktur und Muße in den Tag zu bringen. Nicht dazu, um ihn durchzuplanen! Die Erfahrung des Kindes, mitentscheiden zu dürfen, ist wichtig, um ein Gefühl der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Rückzugsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Burnout-Behandlung

Vorweg: Eine Behandlung kann langwierig sein. Sie wird meist nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Ursachen entsprechend analysiert und kontraproduktive Verhaltensweisen Schritt für Schritt geändert werden.

Was ist zu tun, wenn die Symptome tatsächlich auf einen Burnout hinweisen? Ruhe bewahren. Nicht in blinden Aktionismus oder gar Schuldzuweisungen verfallen. Reden Sie in Ruhe mit Ihrem Kind. Dabei ist es wichtig, dass Sie reden, nicht zur Rede stellen. Ihr Kind kann gar nichts dafür. Hören Sie geduldig zu und seien Sie verständnisvoll.

Ein erster Schritt: Der Weg zu einem Arzt oder einer Ärztin Ihres Vertrauens. Gern können Sie sich zudem eine zweite Meinung einholen. Sprechen Sie gegebenenfalls auch mit Lehrer:innen ihres Kindes. Ein ausgebildeter und erfahrener (Schul-) Psychologe verfügt in der Regel über einen speziellen Test. Im Folgenden dann kann eine entsprechende Therapie – Beratungsgespräche, Verhaltenstraining, gezielte Unterstützung und Entspannungsübungen – erarbeitet werden. Ziel ist eine veränderte Bewertung und ein positives Selbstbild – unabhängig von Leistung. Auch bestimmte Arbeitstechniken, die Optimierung von Arbeitsabläufen können bei der Burnout-Therapie helfen. In einigen Fällen wird den Kindern eine Kur in einer psychosomatischen Klinik verordnet.

Positiv sehen: Kinder, Eltern und Lehrer haben die Chance, zu lernen, wie in Zukunft am besten mit Leistungsdruck und Stresssituationen umgegangen werden kann.

Prävention – wie kann man die Kinder vor einem Burnout bewahren?

Was können wir als Eltern dazu beitragen, um dies zu verhindern?

  1. Sich bewusst sein, dass es ein schmaler Grat ist zwischen fördern und überfordern.
  2. Dem Kind immer wieder vermitteln, dass sein Wert nicht von Leistungen abhängt. Hierbei ist es wichtig das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken.
  3. Umso wichtiger sind kleine und schöne, vor allem regelmäßige Auszeiten. Nehmen Sie sich den Kalender des Kindes, am Besten der ganzen Familie, zur Brust: Worauf kann verzichtet werden?
  4. Gegebenenfalls kann ein Schulwechsel helfen, um den Druck zu mindern.
  5. Seien Sie Vorbild: Leben Sie Entspannung und Genuss. Es wird auch Ihnen selbst guttun.

Hilfreiche Links zum Thema Burnout bei Kindern

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